Konzeptüberblick

Nachfolgend wird das Konzept des Sicherheitsassistenten im Überblick dargestellt.

Für den deutschen Sprachraum wird als Entsprechung des Begriffs „Safety Officer“ der Terminus „Sicherheitsassistent“ vorgeschlagen. Verschiedene andere Begriffe, die bisher in der deutschen Literatur verwendet wurden erscheinen aus unterschiedlichen Gründen nicht geeignet oder beschreiben die tatsächliche Funktion des Sicherheitsassistenten (SiAss) nur unzureichend. Der Sicherheitsassistent nimmt im Grunde die Funktion eines Führungsassistenten ein, der sich vor allem um Sicherheitsbelange kümmert, wovon die deutsche Bezeichnung abgeleitet wurde.

Rahmenbedingungen

Vorweg muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Einführung einer solchen spezialisierten Funktion allein keine Garantie für eine Verbesserung der Sicherheit im Einsatz ist. Gut ausgebildetes Personal (Training), situationsangepasste Taktiken, adäquate Persönliche Schutzausrüstung und sonstige adäquate Technik (T³-Modell) bilden die Grundlage für einen sicheren Einsatz und ein Sicherheitsassistent kann nur dann erfolgreich sein kann, wenn dieses Fundament vorhanden ist.

T³-Modell als Voraussetzung für Einsatzsicherheit
T³-Modell als Voraussetzung für Einsatzsicherheit

Der SiAss ist als Stabsfunktion dem Einsatzleiter bzw. Einheitsführer direkt unterstellt und unterstützt diesen bei der sicheren Abarbeitung des Einsatzes.

Die Einsatzsicherheit wird erhöht, da die Führungskraft davon profitiert, dass der Sicherheitsassistent keine anderen Ziele verfolgen muss (im Gegensatz zur Führungskraft, die maßgeblich die Auftragserfüllung verfolgen muss). Dies lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Einsatzleiter muss überlegen „Wie kann ich den Auftrag erledigen, und dabei sicher arbeiten?“. Der Sicherheitsassistent kann die Prioritäten umdrehen und sich fragen „Wie können wir sicher arbeiten und dennoch den Auftrag erfüllen?“.

Dabei gilt:

Der Einsatzleiter hat nach wie vor das letzte Wort über alle strategischen und taktischen Entscheidungen an der Einsatzstelle, da er nach dem jeweiligen Feuerwehrgesetz die Verantwortung trägt.

Führungsstruktur mit SiAss
Führungsstruktur mit SiAss

Generelle Aufgaben des SiAss

Hauptaufgabe des Sicherheitsassistenten ist die Beobachtung und Bewertung von Gefährdungen, unsicheren Situationen und unsicheren Verhaltensweisen an der Einsatzstelle. Darüber hinaus entwickelt er Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Einsatzkräfte und schlägt diese dem Einsatzleiter vor. Er stellt quasi ein weiteres „Paar Augen und Ohren“ für den Einsatzleiter dar und wirkt somit als „Risikomanager vor Ort“.

Der SiAss hat neben dem Einsatzleiter als einzige Funktion an der Einsatzstelle die Befugnis, bei Gefahr in Verzug Führungsebenen überspringen zu dürfen um so Einsatzkräfte z.B. aus gefährlichen Situationen heraus zu befehlen oder unsichere Maßnahmen abstellen zu lassen. Oftmals wird die Aufgabe des SiAss auf diesen Führungsdurchgriff bei Gefahr im Verzug reduziert. Dies greift einerseits zu kurz, da die Aufgaben des SiAss weiter gehen. Außerdem ist dieses Recht zum Führungsdurchgriff bei Gefahr im Verzug im Grunde nicht neu für die deutsche Feuerwehr ist, sondern eine Weiterentwicklung einer vorhandenen Regelung: Nach FwDV 3 ist jede Einsatzkraft dazu berechtigt, bei Gefahr die Tätigkeit einstellen zu lassen (Kommando „Gefahr - Alle sofort zurück!“).

Kennzeichnung

Zur eindeutigen Identifizierung des SiAss an der Einsatzstelle sollte er leicht und eindeutig erkennbar sein, damit er als Ansprechpartner für den Einsatzleiter und Führungskräfte leicht durch diese auffindbar und andererseits für Einsatz- und Führungskräfte auch als SiAss erkennbar ist, z.B. wenn er Maßnahmen aufgrund von Sicherheitsbedenken unterbrechen lassen muss.

Eine solche Kennzeichnung führt nach Erfahrungen aus den USA oft auch zu Verhaltensänderungen der in der Nähe arbeitenden Feuerwehrangehörigen hin zu sicherem und vorschriftsgetreuen Arbeiten, wenn die Anwesenheit des so gekennzeichneten SiAss bemerkt wird.

Da alle geläufigen Farben mindestens in einem Bundesland bereits anderweitigen Funktionen zugeteilt sind, muss aufgrund der örtlich noch verfügbaren Farben entschieden werden, welche dem SiAss zugeordnet wird. Grundsätzlich kann dafür z.B. auch eine weiße Weste mit entsprechenden Symbolen zur Unterscheidung von Abschnittsleiterkennzeichnungen verwendet werden. Als Unterscheidungsmerkmal kann z.B. ein großes, deutliches erkennbares „S“ für „Sicherheit“ dienen.

Denkbar sind auch Karomuster unterschiedlicher Farbzusammensetzungen, z.B. nach Vorbild französischer Kennzeichnungswesten schwarz-gelb als aus der Arbeitssicherheit bekannte Farben zur Markierung von Gefahrstellen.

Möglichkeit zur Westenkennzeichnung
Möglichkeit zur Westenkennzeichnung

Notwendigkeit einer gesonderten Sicherheitsfunktion im Einsatz

Biologische und psychologische Grenzen der Wahrnehmung

Auch für Führungskräfte der Feuerwehr gelten wie für jeden Menschen biologische und psychologische Grenzen hinsichtlich der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen. Daher kann eine Führungskraft u.U. gar nicht alle unsicheren Situationen wahrnehmen bzw. verarbeiten und dementsprechend auch nicht eingreifen. Die dafür verantwortlichen grundlegenden Sachverhalte soll im Folgenden näher erläutert werden.

Die erste Hürde für eine ständige und umfassende Beaufsichtigung aller Einsatzkräfte durch die zuständigen Führer stellt bereits der Umstand dar, dass eine einzelne Person größere oder unübersichtliche Einsatzstellen bzw. Arbeitsbereiche der unterstellten Kräfte gar nicht jederzeit überall einsehen kann. Ein Sicherheitsassistent kann dazu beitragen, diesen Missstand zu beseitigen, da er ungebunden ist und so überall an der Einsatzstelle eingesetzt werden kann.

Darüber hinaus beschränken sowohl sensorische (biologische Einschränkungen der Informationswahrnehmung, die durch den Aufbau und die Funktionsweise der menschlichen Sinnesorgane bedingt sind) als auch kognitive Einschränkungen (zentralnervöse Vorgänge, v.a. Filterprozesse (z.B. Filtertheorie nach Broadbent) die Informationsverarbeitung beim Menschen, besonders in Stresssituationen wie sie im Feuerwehreinsatz auftreten können.

Die Wahrnehmung wird dahingehend stark fokussiert, dass „Unwesentliches“ verstärkt ausgeblendet wird und so Kapazität für das derzeit „Wichtige“ geschaffen wird. Dies kann jedoch zu Fehlern führen, da die Definition dessen, was „unwesentlich“ bzw. „wichtig“ ist, immer vom Betrachter abhängt. Auf den Feuerwehrdienst bezogen heißt dies, dass z.B. Einsatzleiter und Sicherheitsassistent andere Vorstellungen vom „Wesentlichen“ haben: Beim EL sind dies eher die taktischen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, beim SiAss die Sicherheit der Einsatzkräfte. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb ein Sicherheitsassistent eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung für den EL darstellt.

Unter Stress nimmt das Übersehen und Überhören von Gefahren zu und es kommt häufiger zu Bewertungs- und Entscheidungsfehlern: Gefahrenlagen und Meldungen werden falsch bewertet. Durch Einsatzstress kommt es zu kognitiven Einschränkungen der Informationsverarbeitung, welche wiederum den Einsatzstress erhöhen (Informationsentzug). Dadurch bildet sich ein selbstverstärkender Kreislauf, ein „Teufelskreis“.

 

Psychologische Aspekte des sicherheitsbewussten Verhaltens

Gerade bei der Feuerwehr hängt aufgrund der kaum beeinflussbaren Arbeits- und Umgebungsbedingungen die Sicherheit der Einsatzkräfte stark von deren Verhalten hab. Unglücklicherweise neigt der Mensch aufgrund von psychologischen Verhaltensmustern nicht von sich aus zu sicherheitsgerechtem Verhalten, weshalb Verhaltensfehler bzw. missachtete Sicherheitsvorschriften oftmals ursächlich für Unfälle sind: Studien haben festgestellt, dass 70 bis knapp 90% aller Unfälle menschliche Ursachen haben bzw. verhaltensbedingt sind.

Natürlich wäre der Idealzustand für die Unfallverhütung die Beachtung aller jeweils geltenden Sicherheitsvorschriften durch jede einzelne Einsatzkraft.

Die oben beschriebenen, teils unbewusst ablaufenden Denk- und Handlungsprozesse verhindern jedoch, dass ein solcher Zustand bei allen Einsatzkräften je erreicht werden kann. Dieser Umstand ist zusammen mit den kaum beeinflussbaren Umgebungsbedingungen an Einsatzstellen dafür verantwortlich, dass sich auch heute noch viele Tausend Unfälle pro Jahr bei Feuerwehren ereignen, obwohl doch bereits seit Jahrzehnten Unfallverhütung und sicherheitsgerechtes Arbeiten gelehrt werden, also eigentlich bereits Generationen von Feuerwehrangehörigen von sich aus „sicher“ arbeiten sollten.

Daher ist eine Funktion an der Einsatzstelle, die unsicheres Verhalten erkennen und beeinflussen kann, sinnvoll und angebracht.

 

Abgrenzung zwischen SiAss und etablierten Sicherheitsfunktionen

Es mag sich nun die Frage stellen, wie der „Sicherheitsassistent“ in das System der bestehenden Funktionen mit Sicherheitsaufgaben einzuordnen ist.

Bisher existieren bereits die Funktionen der Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASi) und des Sicherheitsbeauftragten (SiBe)

Die Fachkraft für Arbeitssicherheit nach § 5 ff Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) hat den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen und zu beraten, die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten sowie Ursachen von Arbeitsunfällen zu untersuchen. Diese Aufgaben werden bei der Feuerwehr nach bisherigem Verständnis der Rechtsgrundlagen und der gelebten Praxis vornehmlich im „rückwärtigen“ Bereich vorgenommen, d.h. nicht im Einsatz. Die FASi ist derzeit v.a. beim Arbeitsdienst, der Ausstattung von Arbeitsstätten, bei Beschaffungen und der Vermittlung von Unfallverhütungsvorschriften tätig. Der SiAss kommt im Gegensatz dazu vornehmlich im bisher meist - bezogen auf sicherheitstechnische Betreuung - vernachlässigten Bereich des Einsatzes und bei Übungen zum Zuge. Damit ist in Bezug auf die FASi keine Überschneidung von Zuständigkeitsbereichen mit dem SiAss zu erwarten; tatsächlich ergänzen sich beide Funktionen vielmehr.

Der Sicherheitsbeauftragte nach § 22 SGB VII und § 20 DGUV Vorschrift 1 hat den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu unterstützen, insbesondere sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen und auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Versicherten aufmerksam zu machen. Nach der DGUV Regel 100-001 üben Sicherheitsbeauftragte ihre Aufgabe im Betrieb nicht hauptamtlich, sondern ehrenamtlich neben ihrer eigentlichen Aufgabe aus.

Somit ergibt sich vor allem in hektischen Einsatzsituationen ein Defizit, welches vom SiAss ausgefüllt werden kann. SiAss und FASi ergänzen sich auf annähernd gleicher fachlicher Ebene in ihren unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen, während der SiBe die beiden anderen Funktionen unterstützt und im Rahmen seiner Möglichkeiten in beiden Ressorts, dem Übungs- und Einsatzdienst sowie dem Rückwärtigen Dienst (Arbeitsdienst, Arbeitsstätten, Beschaffungen etc.) tätig wird, wie in folgender Abbildung dargestellt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich beide Bereiche natürlich teilweise überschneiden, wodurch eine enge Kooperation zwischen allen Funktionen nötig wird.

 

Rechtliche Hintergründe

Die Verantwortung für die Sicherheit der Einsatzkräfte bei Einsatz und Übung ist in Deutschland klar geregelt. Zu allererst ist jede einzelne Einsatzkraft für sich selbst verantwortlich, auch und vor allem was die Sicherheit angeht; mit zunehmender Führungsposition weitet sich diese Verantwortung auch auf die unterstellten Kräfte aus. Dieses Grundprinzip der Eigenverantwortung kann und soll daher auch durch die Einführung eines SiAss nicht aufgehoben werden.

Eine detaillierte Aufführung der rechtlichen Geltungsbereiche der einzelnen Arbeitsschutzvorschriften würde hier zu weit führen. Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass allgemein betrachtet für die Feuerwehrangehörigen bei allen Arten von Feuerwehren (BF, FF, WF) die gleichen Vorschriften bzw. Grundsätze gelten. Dazu gehört die Grundpflicht des Arbeitgebers (bzw. der jeweiligen Entsprechung) zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen, also zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen.

Aus der Industrie bekannte Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung sind großteils nicht für die Verwendung im Einsatz- und Übungsdienst der Feuerwehren verwendbar, da dort, anders als in der Industrie, der „Arbeitsplatz“ der FA - die Einsatzstelle - und die dort herrschenden Gefährdungen nur in sehr geringem Maße vom Arbeitgeber beeinflussbar sind und sich die Gefährdungen teils in sehr kurzen Zeitabständen ändern können, die Arbeitsbedingungen somit nicht konstant sind. Eine einmalige oder auch in regelmäßigen größeren Zeitabständen durchgeführte Gefährdungsbeurteilung greift hier zu kurz, da von Einsatz zu Einsatz oder Übung zu Übung andere Bedingungen vorliegen können, welche v.a. in ihrer Kombination mit anderen vorliegenden Gefährdungen zu wiederum neuen Gefährdungen führen können. Eine Gefährdungsbeurteilung im Feuerwehrdienst muss daher dynamisch und den wechselnden Bedingungen an Einsatz- und Übungsstellen - die sich auch während eines Einsatzes ändern können - angepasst wiederholt durchgeführt werden.

Diese Gefährdungsbeurteilung kann aufgrund der oben bereits beschriebenen sensorischen und kognitiven Beschränkungen der Führungskräfte nicht mehr in der im ArbSchG geforderten Qualität durchgeführt werden.

An dieser Stelle kann der Sicherheitsassistent eine große Hilfe sein, in dem er vor Ort quasi eine dynamische „Echtzeit-Gefährdungsbeurteilung“ durchführt. Diese muss regelmäßig wiederholt werden (teils im Minuten- oder gar Sekundenbereich), um sich gegebenenfalls schnell ändernden Einsatzbedingungen Rechnung zu tragen. Eine entsprechende Einsatz-Dokumentation durch den SiAss führt zur Rechtssicherheit aller beteiligten und kann auch als Grundlage von Einsatznachbereitungen und „lessons learned“ dienen.